Torf hat eine schlechte Ökobilanz

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Die Ökobilanzen von Torf und seinen Ersatzstoffen zu betrachten ist wichtig – damit wir nicht mit „gefühlten Wahrheiten“ arbeiten und womöglich den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Diese Aussage unterstreicht eine
 Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).

Von Katrin Klawitter

Die Schweiz ist in Sachen Ökobilanzen schon recht weit. Dort ist der Torfabbau bereits seit einer Volksabstimmung im Jahr 1978 verboten, es gibt ein nationales Torfausstiegskonzept. Ziel ist es aber nicht, das Problem zu verlagern, indem man auf andere, ähnlich umweltkritische Substratbestandteile wechselt. Deshalb sind zur Beurteilung Ökobilanzen erforderlich. Denn die Alternativsubstrate sollen auch tatsächlich zu einer Reduktion und nicht zu einer Verlagerung der Umweltbelastung führen, so Matthias Stucki von der Forschungsgruppe Ökobilanzierung der ZHAW.

Welche Substratkomponenten

sind empfehlenswert?

Um Torf und Torfalternativprodukte umfassend zu beurteilen, hat die ZHAW im Auftrag des Schweizer Bundesamts für Umwelt 20 Substratkomponenten und sieben Substratmischungen in der Schweiz untersucht, darunter Xylit aus dem Braunkohleabbau und Landerde aus der Zuckerproduktion, aber auch Komponenten wie Pflanzenkohle oder Torfmoos. Die ZHAW führte die Beurteilung sehr umfassend durch – bewertete die Lebenszyklen der Komponenten von der Herstellung bis zur Nutzung. Die Vergleichseinheit war ein Kubikmeter, zugrunde lagen Daten aus Industrie, Praxis, Labor und Literatur, unter anderem wurde auch der CO2-Footprint mitbetrachtet.

Die Ergebnisse der Ökobilanzanalyse ergaben „sehr deutliche Unterschiede“ zwischen den Komponenten, so Stucki: Sie zeigen, dass sämtliche untersuchten Substratkomponenten deutlich klimafreundlicher als Torf sind. Besonders umweltfreundlich sind Substratkomponenten aus angebauten, nachwachsenden, sekundären Reststoffen mit geringer Konkurrenz anderweitiger Nutzung oder Substratkomponenten aus Abfallprodukten. Die Umweltbelastung zeigte sich vor allem bei Chinaschilf, Hanffasern, Flachsschäben, Schilfrohr und angebautem Torfmoos geringer als bei Torf. Die Studie zeigte auch, dass Holzfasern und Holzhäcksel den anderen Substratkomponenten in der Umweltbelastung und dem Treibhauspotenzial positiv überlegen sind. Alle untersuchten Substratkomponenten hatten eine deutlich geringere Umweltauswirkung als Kokosfasern, die bekanntlich als Alternative für Torf weit verbreitet sind.

Die Ergebnisse beziehen sich auf die Schweiz, sind laut Stucki für viele Substratkomponenten aber auf die Situation in Deutschland übertragbar. Größere Unterschiede ergeben sich dort, wo sich die Produktion und die damit verknüpften Prozesse von der Situation in der Schweiz unterscheiden. Beispielsweise setzt sich der Strommix in Deutschland ganz anders zusammen, was sich auf die Ökobilanzergebnisse von Holzfasern auswirkt. In der Schweiz wird vorwiegend Torf aus dem Baltikum importiert, in Deutschland wird auch inländischer Torf angeboten, der unter anderen Produktionsbedingungen abgebaut wird

Foto: Stucki

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Sämtliche neun Substratkomponenten waren deutlich klimafreundlicher als Torf.
Matthias Stucki

Torf wies in den Schweizer Untersuchungen bei weitem die ungünstigste Ökobilanz auf: Die Grafik zeigt die Treibhauspotenziale unterschiedlicher Substratkomponenten im Vergleich (rote Linie: Torf). Grafik: Stucki

Torf wies in den Schweizer Untersuchungen bei weitem die ungünstigste Ökobilanz auf: Die Grafik zeigt die Treibhauspotenziale unterschiedlicher Substratkomponenten im Vergleich (rote Linie: Torf). Grafik: Stucki

Ein Plädoyer für heimische
 Substratkomponeten

Bei Torf ergibt sich die große Klimarelevanz dadurch, dass fossil gebundener Kohlenstoff durch den Torfabbau in die Atmosphäre gelangt, wohingegen der Kohlenstoff in den nachwachsenden Substratkomponenten Teil des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs ist, erläutert der Wissenschaftler. Für die Gesamtumweltbelastung betrachtet die Studie neben dem Klimawandel eine Reihe weiterer Umweltprobleme. Bei Kokosfasern beispielsweise gelangen im Prozess der Faserauftrennung oftmals Schadstoffe in die natürlichen Gewässer in Südasien. Stuckis Fazit deshalb: Substratmischungen mit einem geringen Anteil an Torf, Kompost und Kokosfasern sind mit niedrigen Umweltauswirkungen verbunden. Wenn einheimische Substratkomponenten eingesetzt werden, besteht ein großes Potenzial zur Reduktion von negativen Umweltauswirkungen und sozialen Risiken im Vergleich zu Produkten aus importiertem Torf oder Kokosfasern.

Die komplette Studie finden Sie hier.

Kompost: Süd-Nord-Gefälle

Kompost genießt als Substratbestandteil in südlichen Teilen Deutschlands deutlich mehr Akzeptanz als im Norden. Ein Grund ist, dass es hier vielerorten und weit verbreitet üblich ist, dass Kommunen Grünabfälle im
 großen Stil sammeln und verwerten und die Bevölkerung dort „dichter“ an 
dessen Produktion ist. Im Norden 
bestehen im Vergleich deutlich weniger Kompostierungsstätten, das Thema ist auch der dortigen Bevölkerung ferner. In Berlin im Rahmen der Tagung „Torfminderung“ lautet ein Appell an das BMEL, hier über Medien in höherem Maße positiv einzuwirken.

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Fazit: Nachwachsende Stoffe – ein würdiger Torfersatz

Aus den Resultaten der damaligen Schweizer Studie lassen sich laut Matthias Stucki folgende Erkenntnisse ableiten: Nachwachsende Komponenten in gärtnerischen Substraten sind im besten Fall sekundäre Reststoffe, die sich mit wenig Aufwand als Substratkomponenten in Mischungen verwenden lassen. Insbesondere Schilfrohr aus Naturschutzgebieten ist ein Sekundärprodukt, das nicht durch andere Nutzungen konkurriert wird. Von den untersuchten Torfersatzprodukten hat einzig Torfmoos das pflanzenbauliche Potenzial, Torf vollumfänglich zu ersetzen. Bei allen anderen Substratkomponenten sind aufwändige und teils energieintensive Aufbereitungsverfahren notwendig. Aus Sicht des Klimaschutzes bieten sämtliche untersuchten lokalen Substratkomponenten im Vergleich zu Torf ein großes Reduktionspotenzial von Treibhausgasemissionen. Bei der Nutzung dieser Produkte als Torfersatz können zwischen 62 und 97 Prozent der klimarelevanten Treibhausgasemissionen eingespart werden. Auch bei einer umfassenden Beurteilung verursachen insbesondere angebautes Torfmoos, Schilf, Flachsschäben, Chinaschilf, Hanffasern und Pflanzenkohle aus Abfallholz eine deutlich geringere Gesamtumweltbelastung als Torf. Bei der Verwendung von Kompost ist je nach Zusammensetzung des Komposts und dem Herstellungsverfahren mit einer erhöhten Belastung durch bestimmte unerwünschte Inhaltsstoffe zu rechnen, wie Schwermetalle oder polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe. Derartige Produkte müssen zwingend aus zertifizierten und Qualitätskriterien berücksichtigenden Herstellungsverfahren stammen.