Beispiele aus der Praxis

Foto: Welzel

Foto: Welzel

Gute Erfahrungen
mit dem Torfersatz

Erwin Seidemann, Inhaber der Bio-Blumengärtnerei Seidemann im österreichischen Völs, hat im Jahr 2014 „Nägel mit Köpfen“ 

gemacht und innerhalb von nur drei Monaten seine komplette Kräuter- und Gemüseproduktion von einem Torfanteil
von 
40 Prozent auf komplett torffrei umgestellt. Von Katrin Klawitter

Beste Qualität: Seidemann‘s Primula acaulis, torffrei kultiviert, im Topf Eco DGrade.

Beste Qualität: Seidemann‘s Primula acaulis, torffrei kultiviert, im Topf Eco DGrade.

Absolut torffrei: Gesätes Basilikum im Potpourri ...

Absolut torffrei: Gesätes Basilikum im Potpourri ...

... und Bio-Zucchini, gesät im Fertilpot. Fotos: Seidemann

... und Bio-Zucchini, gesät im Fertilpot. Fotos: Seidemann

Foto: Seidemann

Foto: Seidemann

Torffrei: Aufwendig – aber es lohnt sich!
Erwin Seidemann

Seidemanns Substrat besteht aus Rindenhumus, gut verrottetem Gartenkompost, Holzfaser, Kokosmark (maximal zehn Prozent), Bims und Perlite. Als Zutat, die sich besonders durch ihre Pufferwirkung bewährt hat, gibt er fünf Prozent Regenwurmhumus hinzu. Sechs Jahre antasten und ausprobieren hat es gedauert, bis Seidemann die optimale Mischung gefunden hatte, die in allen seinen Kulturen funktioniert. Und auch das typische Trauermückenproblem hat er durch eine Erkenntnis gelöst: „Wir verwenden keinerlei Substratbestandteile mehr, die Hefe produzieren: Keine effektiven Mikroorganismen, keine Phytopellets, keine Hornspäne – seit neun Monaten sind wir trauermückenfrei“, sagt er stolz.

Seidemann ist ein Querdenker ...

... auch in der Düngung geht er eigene Wege. Zur Stickstoffbevorratung gibt er seiner Substratmischung Schafswollpellets als Dauerbevorratung und für die kurzfristige Verfügbarkeit Biofert, ein Abfallprodukt aus der Zitronensäureproduktion, sowie Biohühnertrockenkot hinzu, beide liefern Stickstoff in Ammoniumform. Direkt nach dem Topfen düngt er zudem sofort mit Traubentrester als schnell verfügbarem Stickstofflieferanten. Alle anderen notwendigen Pflanzennährstoffe enthält sein Substrat bereits durch die Anteile an Rindenhumus, Schafwolle und Kompost.

Das Ganze kling auf den ersten Blick kompliziert, ist auch das Ergebnis langjährigen gemeinsamen Ausprobierens innerhalb einer großen Gruppe von Bioanbauern – aber nun funktioniert die torffreie Kultur und ausgetüftelte Düngung gut. „Unser Ziel ist, das Substrat möglichst salz- und phosphorarm zu halten, das schaffen wir dank der Pufferung durch den Regenwurmhumus. Außer Stickstoff müssen wir bei unserer Substratmischung in der Kulturzeit nichts mehr dazugeben“, erläutert der findige Gärtner.

15 Prozent mehr Kosten

Insgesamt nimmt Seidemann mindestens zehn Prozent mehr für seine torffrei produzierte Ware gegenüber konventioneller Ware ein, die Produktionskosten an sich liegen etwa zehn bis 15 Prozent höher. „Stickstoff ist der teuerste Nährstoff, das schlägt natürlich zur Buche“, sagt er. Die Kultur funktioniert anschließend genauso unproblematisch wie eine konventionelle Kultur, „aber mit allen Vorteilen des Bioanbaus“, freut sich der Gärtner – wie besserem Wurzelwachstum und keinerlei Pilzbefall dank der im Substrat vorhandenen Antagonisten.

Das gilt übrigens auch für die Weiterkultur und Standzeit beim Kunden: „Unsere Kunden bestätigen uns, dass die Pflanzen aufgrund der besseren Wurzeln gut weiterwachsen und deutlich länger halten als die im Torfsubstrat produzierten, das Substrat sich besser wiederbenetzen lässt. Und die Pflanzen zeigen dabei exzellente Qualität. „Bioware darf beim Kunden nicht ‚bio‘ aussehen, sondern gut oder besser als konventionelle Ware“, weiß er um das Einkaufverhalten der Kunden.

Aufwendiger sei die Kultur in torffreiem Substrat nicht: Am Anfang müsse man zwar etwas mehr gießen, danach aber deutlich weniger als in konventioneller Kultur, sind seine Erfahrungen. „Es funktioniert. Und es zahlt sich aus, ich verdiene Geld damit“, sagt der Unternehmer. Man benötigt allerdings auch sehr viel Kulturwissen und Fingerspitzengefühl.

Seidemanns biologisch und torffrei produzierte Ware ist begehrt, nicht nur bei den Endkunden des eigenen Gartencenters „Blumenpark Seidemann“: Auch Biovermarkter und Hotels fragen die Pflanzen gut nach, Baumärkte und größere Vermarkter zeigen Interesse. Auch sein Know-how ist gefragt – immer mehr konventionelle Betriebe, beispielsweise vom Niederrhein, erkundigen sich nach Seidemann‘s Erfahrungen, produzieren zunehmend torffrei. „Ich würde mir noch mehr Mitstreiter wünschen, denn die torffreie Produktion kann einen neuen Schub für unsere Branche bringen.“

Den Verbraucher aufklären

Seine Einzelhandelskunden erfahren in regelmäßigen und gut besuchten Gartenseminaren über den Vorteil von Bio-pflanzen, über torffreie Produktion, das Weglassen von Plastik (Seidemann produziert in verrottbaren Töpfen aus Holzfasern und Sonnenblumenkern-Schalen), über den Umgang mit Pflanzen, über Pflanzenneuheiten. Auch in Radiosendungen ist der Biogärtner regelmäßig zu Gast. „Es ist wichtig, den Verbraucher nachhaltig aufzuklären, Vorteile der torffreien und Bioproduktion genauso zu kommunizieren wie die Schwächen konventioneller Systeme“, ist er überzeugt. Seine Bioerden verkauft er übrigens ebenfalls an Endverbraucher – meistens per Lieferung. Denn einen Nachteil haben seine torffreien Erden: Sie sind um rund 30 Prozent schwerer als herkömmliche Torfsubstrate – mit einem 60-Liter-Sack muss der Kunde schon über 20 Kilo wegschleppen.

Bio und torffrei, das sind Trends, die bei einer bestimmten, umweltinteressierten Kundengruppe besonders ankommen – und diese wir immer größer: „Seit unserer Biozertifizierung und deren Kommunikation über neue Medien wie Instagram und Co. haben wir zunehmend mehr junge Leute und junge Familien unter unseren Kunden“, hat Seidemann beobachtet.

Gute Pflanzenqualitäten

Die torffreie Produktion funktioniert, wenn der Gärtner um die Eigenschaften der Torfersatzstoffe weiß und sie entsprechend berücksichtigt, seine Kultur beispielsweise durch regelmäßige Proben begleitet.“ Das ist das Fazit von Robert Koch von der LVG Heidelberg nach einer ganzen Reihe an Kulturversuchen mit praxiserprobten Kombinationen geeigneter Torfersatzstoffe. Und er rät: „Jeder Torfersatz bietet Vor- und Nachteile. In der Kultur sollte man Torf nach und nach reduzieren, ihn geschickt kombinieren in einer Art Baukastensystem.“

In Versuchen an der LVG Heidelberg wurden chemische und physikalische Eigenschaften wie beispielsweise die Stickstoffimmobilisierung oder die etwas geringere Wasserspeicherfähigkeit von holzbasierten Torfersatzstoffen anhand von helleren Blättern und kleineren Pflanzen im Vergleich zu den Torfvarianten sichtbar. „Ein Umdenken im Gießverhalten und der Düngung speziell in Bezug auf Stickstoff ist entscheidend für den Kulturerfolg“, resümieren die Heidelberger. Unter anderem wuchsen beispielsweise Begonien in torffreiem Substrat sehr kompakt aufgrund hoher Salzgehalte durch den Kompostanteil.

Es konnten in Praxisversuchen aber auch die positiven Eigenschaften von Torfersatzstoffen gezeigt werden. So liefert beispielsweise die Substitution durch Grünschnittkompost in Bio-Substraten nicht nur wertvolle Nährstoffe wie Phosphor, Kali und Spurenelemente sowie Mikroorganismen, sondern hat auch eine besondere phytosanitäre Wirkung in Bezug auf bodenbürtige Krankheiten. Xylit im Primelsubstrat führte zu einer besseren Durchlüftung und Durchwurzelung – und dadurch zu besseren Qualitäten. Auch torffrei kultivierte Poinsettien in aktuellen Versuchen fielen durch gute Qualität auf.

Kochs Fazit: Es bleibt festzuhalten, dass im Zierpflanzenbau gute Pflanzenqualitäten in torfreduzierten oder torffreien Kultursubstraten erzielt werden können, wenn die Bewässerung und die Düngung auf die Anforderungen der einzelnen Torfersatzstoffe abgestimmt werden. Dies haben zahlreiche Versuche bewiesen. Es gelte nun, dieses Wissen in der Praxis umzusetzen.

Die LVG Heidelberg hat eine Grafik erstellt, die Gärtnern die wichtigsten Eigenschaften verschiedener Substratausgangsstoffe übersichtlich zusammenfasst: Ein Stoff, der viele rote Felder in der Übersicht aufweist, bringt ein höheres Kulturrisiko mit sich.

Die Übersicht finden Sie unter taspo.de

Werkfoto

Werkfoto

Bis 50 Prozent Torfersatz
ohne großes Risiko

Der Anbau in torfreduzierten und torffreien Substraten funktioniert in vielen Bereichen bereits gut, sowohl in Versuchen wie auch in verschiedenen Praxisbetrieben. Das sagt auch Andrew Gallik vom Versuchszentrum Straelen/Köln-Auweiler der LWK Nordrhein-Westfalen.

Im Zierpflanzenbau beispielsweise werde, vor allem im Schnittblumenbereich, mit weitgehend torffreien Substraten gearbeitet, erläuterte er im Rahmen der „Torfminderungs“-Tagung in Berlin. Bei Schnittrosen setzen Betriebe Substratmatten aus Steinwolle, Kokos und Perlite sowie Holzfasern ein, in Spezialkulturen wie Amaryllis findet Lecaton Verwendung.

Im Topfpflanzenbereich werden bereits seit Jahren bestimmte Anteile an alternativen Stoffen zugemischt, vor allem Kokos- und Holzfasern und je nach Kultur auch Tonanteile verwendet. „Aus Sicht der Beratung verwendet hier der überwiegende Teil der Produzenten bereits 20 bis 30 Prozent Torfersatzstoffe – Tendenz steigend bis 40 Prozent“, so Gallik. Einige Anbauer hätten sogar bereits Substrate mit 100 Prozent Torfersatzstoffen getestet. So liegen Praxiserfahrungen mit Gaultherien, Poinsettien und Callunen vor. Allerdings würde dies aus Gründen wie einem höheren Kulturrisiko, höherem Kontrollaufwand und höheren Kosten für das Substrat häufig nicht zum betrieblichen Standard gemacht, selbst wenn die Ergebnisse positiv waren.

Im Versuchswesen in Straelen arbeitet das Team bei Topfpflanzen mit bis zu 75 Prozent Torfersatz. „Allerdings wird mit sinkenden Torfanteilen oft die Bewässerungshäufigkeit und die Kontrolle des Ernährungszustandes intensiver“, so Gallik. Aktuell beschäftigt sich Straelen mit dem Wasserbedarf bei torfreduzierten Substraten auf dem Handelsweg. „Das ist eine wichtige Frage: Was passiert damit auf dem Weg vom Produzenten zum Verbraucher?“, fragt Gallik. Allgemein gäbe es zu wenig Daten dazu.

Im Fruchtgemüseanbau werden, ähnlich wie im Schnittblumenanbau, in der Regel torffreie Substrate verwendet. Hier haben sich Steinwollmatten und Kokosmatten mit Perlite etabliert. In diesem Jahr wurden auch Alternativen mit Holzfaseranteilen getestet. Die Erfahrungen bei der Verwendung von Erdpresstöpfen zur Jungpflanzenanzucht im Gemüsebau sind positiv, sagt Gallik. Diese beinhalten 20 Prozent Torfersatzstoffe (Grünkompost und Holzfaser).

Im Beerenobstanbau ist laut Gallik mit der Ausweitung des geschützten Anbaus in den letzten Jahren eine Zunahme von Substratkulturen zu beobachten. Dabei wurden bisher überwiegend Substrate aus Torf oder Kokos mit Perlite verwendet. Mit zunehmender Diskussion über den Torfeinsatz wird auch im Beerenobstanbau über Alternativen nachgedacht. Vorzugsweise werden dabei Kokosprodukte eingesetzt, das heißt, der Torfanteil wird verringert, der Anteil an Kokosprodukten in diesen Substraten steigt. Allerdings wird in diesem Bereich nach weiteren Alternativen gesucht, da die Verwendung von Kokosfasern statt Torf nicht unumstritten ist. Holzfasern sind für diesen Verwendungsbereich häufig nicht stabil genug und andere Alternativen, wie beispielsweise Miscanthus, wurden bisher noch nicht hinreichend geprüft, so Gallik.

Sein Fazit: Mit weiter steigenden Anteilen von Torfersatzstoffen in Topfsubstraten steigen sowohl der Preis als auch das Kulturrisiko, beispielsweise beim pH-Wert. Dennoch dürfte beim Großteil der Topfkulturen nach bisherigen Erfahrungen der Einsatz von 50 Prozent Torfersatz ohne größeres Risiko möglich sein.

Foto: BMEL

Foto: BMEL

„Aus Überzeugung umgestellt“

Torffrei wird bei allen in unserem Betrieb angebauten Kulturen produziert. Darunter etwa 100 verschiedene Kräutersorten, 20 verschiedene Gemüsearten, Weihnachtssterne und Cyclamen“, sagt Norbert Rankers vom Bio Gartenbaubetrieb Rankers in Straelen. Speziell nachgefragt wurde das vom Handel im Betrieb nicht. „Wir haben ohne Druck, aus eigener Überzeugung, umgestellt und bei der Umstellung auch keine Preiserhöhung vorgenommen.“

Sehr viel wisse man über den Endverbraucher dieser Produkte noch nicht. Die Erfahrung sei aber, dass ein Großteil der Kunden, die sich für biologisch angebaute Kräuter interessieren, auch auf die Nachhaltigkeit der Produkte Wert legen. „Diese Gruppe wird sich sicherlich auch mit der Problematik der Abtorfung und den sich daraus resultierenden negativen Folgen wie Verlust des Lebensraumes Moor und Freisetzung von CO2 auseinandergesetzt haben“, vermutet er.

Im Prinzip arbeitet Rankers mit der Marke „LA´BiO!“ nach einem ganz einfachen Muster: „Wir gehen einfach davon aus, dass unsere Kunden genauso denken wie wir selber.“ Leider könne man im Bereich Nachhaltigkeit nicht immer alles so einfach umsetzen wie die Umstellung auf torffreies Substrat.

Torffrei produzierte Kräuter in Betrieb Rankers in Straelen. Werkfoto

Torffrei produzierte Kräuter in Betrieb Rankers in Straelen. Werkfoto

Topfpflanzen:
„Torfreduziert kein Problem“

Das Versuchszentrum Gartenbau Straelen arbeitet laut Peter Tiede-Arlt bei Topfpflanzen grundsätzlich als „Standard“ mittlerweile mit einem um 20 Prozent torfreduzierten Substrat. Zudem hat es auch bei Euphorbien gute Erfahrungen mit torffreien Substraten, immer Gemischen aus Holzfaser, Reisspelze, Kokosfaser und –mark sowie Perlite.

„Grundsätzlich ist die torffreie Produktion von Pflanzen, auch von wasserbedürftigen wie Hortensien, nicht das große Problem. In der Gärtnerei gibt es technische Rundumversorgung für die Pflanzen und Wasser bei jedem Bedarf“, so sein Fazit. Euphorbien funktionieren torffrei, Hortensien in torfreduzierten Substraten, abgestuft bis zu 75 Prozent Torfersatz, in guter Qualität. Schwierig werde es unter Umständen ab Transport zum Großhandel und Verbraucher, weil die Pflanzen öfter gegossen werden müssen. „Da können auf dem Vermarktungsweg schon einmal schnell Schäden entstehen. Damit entfällt dann natürlich der Spaßfaktor an dem Produkt für den Verbraucher.“

Auch Callunen wachsen nach seinen Aussagen mit einer Torfreduzierung um 50 bis 60 Prozent: „Ich weiß aus der Praxis, dass Callunen sogar torffrei produziert werden können, jedoch kein höherer Preis damit erzielt wird.“

Hortensien in verschiedenen torfreduzierten Substraten. Foto: LVG Straelen

Hortensien in verschiedenen torfreduzierten Substraten. Foto: LVG Straelen

Viele Vor-, aber auch einige Nachteile

Der Gartenbaubetrieb Welzel aus Kerken setzt ein torffreies Substrat aus Rinde, Kokos und Reisspelze ein. Darin kultiviert er bereits die Kulturen Calibrachoa, Verbena, Petunia, Pelargonium, Lantana camara, Jasmin, Chrysanthemen und Euhorbia pulcherrima

„Wir glauben, dass torffrei auch bei Moorbeetkulturen funktionieren kann, wenn man einen pH von 4,5 bis 4 hinbekommt“, ist Inhaber Christian Welzel überzeugt. Und zählt die größten Vorteile der torffreien Kultur auf: „Die Pflanzen bewurzeln schneller, erhalten mehr Feinwurzeln und die Wurzeln bleiben länger weiß und aktiv. Das Substrat trocknet von oben sehr gut ab – dadurch haben wir geringere Probleme mit Botrytis. Und die Struktur der Erde ist so, dass die unbewurzelten Stecklinge nicht unter das Substrat gespült werden.“

Aber Welzel weiß auch von Nachteilen: Das Substrat sei anfällig für Trauermückenlarven – besonders in der Vermehrung. Es sei nass schwerer, dadurch die Belastung der Mitarbeiter beim Rücken mit der Gabel höher. Außerdem habe man mehr Späne und Staubpartikel im Betrieb, mehr Dünger werde im geschlossenen System benötigt. Bisher verspürt der Unternehmer noch keine direkten Anfragen nach torffrei produzierter Ware. Und obwohl das Substrat teurer gegenüber torfreduziertem Substrat ist, sei der Großkunde nicht bereit, eine Preiserhöhung mitzugehen. „Wir hoffen auf eine Kombination aus Recycling-Topf, Mehrweg- oder Papierpalette und biologischem Pflanzenschutz.“ Von den Endkunden weiß Welzel, dass bisher nur wenigen Kunden überhaupt bekannt ist, dass Torfabbau CO2 freisetzt.

„Natürlich nachhaltig“: Torffreie Erde, Papiertopf und Papierpalette. Foto: Welzel

„Natürlich nachhaltig“: Torffreie Erde, Papiertopf und Papierpalette. Foto: Welzel

Torfreduktion – ein Bericht aus der Praxis

von Antje Lemke

Foto: Stauden Schachtschneider

Foto: Stauden Schachtschneider

 Torfreduziert in der Staudenkultur funktioniert.
Jens Schachtschneider

In einer Online-Seminarreihe gibt die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) regelmäßig einen Zwischenstand bei der Torfreduzierung. Vor Kurzem ging es um den Erwerbsgartenbau, dort bot die FNR einen Zwischenstand auf dem Weg zu weitgehend torffreien Substraten bis 2030. Staudengärtner Jens Schachtschneider berichtet über seine Erfahrungen dazu.

Der Seniorchef von Schachtschneider Stauden (Neerstedt) blickt dabei auf bisher sehr gute Resultate: Die Staudenproduzenten sind beim Torfersatz ohnehin schon ziemlich weit – laut einer Umfrage unter Betrieben des Bundes deutscher Staudengärtner (BdS) verwenden die meisten inzwischen Substrate mit einem Torfanteil von 50 Prozent und weniger.

Bei Schachtschneider Stauden ist die Torfminderung mit 70 Prozent Torfersatz sogar noch weiter fortgeschritten – und es funktioniert. „Das Wachstum ist grundsätzlich gut“, sagt Jens Schachtschneider.

Ein Substrat für alle

Das Hauptsubstrat, das der Betrieb seit 2021 verwendet, enthält 30 Prozent Torf in zwei Absiebungen, Holzfaser, Holzhackschnitzel, Grünkompost, Perlite und 20 Kilo Tongranulat. Es wird für alle Staudenkulturen eingesetzt – immerhin rund 2.000 verschiedene Arten und Sorten – was hier und da gewisse Kompromisse erfordert. Für Gräser und Farne wird der pH-Wert reduziert.

Wie sich das Substrat genau zusammensetzt, sei Sache der Lieferanten: „Wir machen den Substratherstellern keine Vorgaben zu den Komponenten, wir bestimmen nur den Torfanteil und sagen, was wir gar nicht wünschen.“ So wurde beispielsweise Blähton aus der Mischung verbannt, weil dieser in der Topfmaschine für zu viel Lärm und Verschleiß sorgte. „Unsere Substratlieferanten stehen somit im Wettbewerb hinsichtlich des Wachstums unserer Pflanzen und des Preises. Damit müssen wir uns nicht um Details kümmern.“

Zudem setzt das Unternehmen auf regionale Lieferanten, weil Schachtschneiders eine kurzfristige Anlieferung innerhalb von 24 bis 48 Stunden ab Auftragserteilung wichtig ist. Der Staudenbetrieb hat allerdings wegen der räumlichen Nähe zu norddeutschen Substratfirmen einen klaren Standortvorteil, es fallen beispielsweise kaum Mautgebühren an.

Winterausfälle ein Problem

Als nachteilig empfindet Jens Schachtschneider das höhere Gewicht der torfreduzierten Substratmischung, die körperliche Belastung für seine Mitarbeitenden mache sich vor allem beim Versand negativ bemerkbar. Grundsätzlich lasse sich dieses Problem aber lösen, etwa durch mehr Automatisierung oder durch ein Substrat mit höherem Kokosanteil, was leichter wäre.

Was zudem auffiel: Bei Überwinterungskulturen verliert das Substrat im Frühjahr an luftiger Struktur, es wird „pampiger“. Und im Winter 2022/23 waren, wie übrigens in anderen Staudenbetrieben auch, erhöhte Ausfälle bei Kulturen in torfreduziertem Substrat zu beobachten. „Woran das lag, ist aber nicht ganz klar. Im Winter 2023/24 waren die Ausfälle geringer, möglicherweise hat die mildere Witterung eine Rolle gespielt“, mutmaßt Schachtschneider.

Komplett torffrei!?

Ein relativ neues „Experimentierfeld“ im Betrieb ist die Produktion von heimischen Wildstauden in zu 100 Prozent torffreiem Substrat. Es setzt sich zusammen aus Cocopeat, Perlite, Holzfaser, Grünkompost, Holzhackschnitzel und Rindenhumus. Das Wachstum dieser Pflanzen sei ebenfalls „okay“. „Mit anspruchsvolleren Kulturen haben wir damit aber noch keine Erfahrungen.“

Als Problem nannte Schachtschneider hier die begrenzte Verfügbarkeit von Torfersatzstoffen – die Beschaffung sei für die Erdenwerke nicht immer einfach. Kritisch sieht er zudem den Einsatz von Kokosprodukten (Liefersicherheit, Umweltbilanz …), die seiner Ansicht nach eher eine Übergangslösung sein sollten.

Und nicht zuletzt bestehe ein deutlicher Preisunterschied zwischen dem torffreien Substrat und dem mit 30 Prozent Torfanteil. „Wenn wir alle unsere Kulturen auf vollständig torffreie Erden umstellen würden, müssten wir bei unseren Verbrauchsmengen mit Mehrkosten von rund 70.000 Euro im Jahr rechnen“, veranschlagt Schachtschneider – ein weiteres ­Argument gegen null Prozent Torf.

Seiner Erfahrung nach freuen sich seine Kunden – vor allem GaLaBau, Kommunen und gärtnerischer Facheinzelhandel – über torffrei kultivierte Pflanzen, solange sie nicht zu teuer sind. „Manchmal entscheidet am ­Ende eben doch der Preis. Wenn man günstig einkaufen muss, treten die nachhaltigen Ansätze in der Produktion in den Hintergrund.“

Wildstauden wachsen bei Schachtschneiders schon ohne Torf. Foto: Stauden Schachtschneider

Wildstauden wachsen bei Schachtschneiders schon ohne Torf. Foto: Stauden Schachtschneider

FAZIT

Fachlich gesehen ist für die Staudenproduzenten eine Reduzierung auf 30 Prozent Torf im Substrat machbar. Man muss den Substratherstellern aber genug Zeit geben, um die Lieferketten für Ersatzstoffe in ausreichender Menge und Qualität aufzubauen. Das Zusammenspiel zwischen Politik, Beratung, Gartenbau und Substratindustrie bei der Umstellung auf torfreduzierte Substrate läuft aus Schachtschneiders Sicht prinzipiell gut.