Torfersatz: Wo die Forschung nach drei Jahren ToPGa steht

Foto: Johannes Kaufmann/JKI

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Drei Jahre lang hat Dr. Ute Vogler, Leiterin des Instituts für Pflanzenschutz in Gartenbau und urbanem Grün des Julius Kühn-Instituts in Braunschweig, die Forschungsfäden zum Torfersatz im Gartenbau in der Hand gehalten. Was ihre Forschung den Produzenten bringt, und warum sie unbedingt noch weitermachen will, verrät sie im Interview.

von Yvonne Stock

Foto: JKI

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Die Wissenschaft forscht weiter,
damit Ersatzstoffe auch regional
zur Verfügung stehen.
Dr. Ute Vogler, JKI Braunschweig

Sie haben das Forschungsprojekt Entwicklung und Bewertung von torfreduzierten Produktionssystemen im Gartenbau (ToPGa) geleitet: Was hat Sie nach den drei Jahren am meisten überrascht?

Dr. Ute Vogler: Wie gut das Miteinander bei neun beteiligten Instituten und Landwirtschaftskammern funktioniert hat und wie eng die Verzahnung der unterschiedlichen Teilprojekte war. Überrascht und gefreut hat mich auch, zu welchem Erkenntnisgewinn die vernetzte Sicht- und Herangehensweise geführt hat. 

Es liefen bereits mehrere Projekte zum Thema Torfersatz: Was unterscheidet Ihres von den bisherigen?

Dr. Ute Vogler: ToPGa hat viele verschiedene Perspektiven auf Torfersatz vereint. Das unterscheidet uns von anderen Forschungsprojekten, die in der Regel nur einzelne Aspekte untersuchen können. Zum einen finanziert das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags durch die Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe (FNR) Modell- und Demonstrationsvorhaben. Bei denen begleiten und beraten Regionalberater über einen längeren Zeitraum Modellbetriebe beim Einsatz von Torfersatzstoffen, ihre Erkenntnisse werden anderen Betrieben zur Verfügung gestellt. Zum anderen finanziert das BMEL aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags durch die FNR Forschungs- und Entwicklungsvorhaben wie ToPGa. Teilweise arbeiten wir sehr praxisfern im Labor, teilweise praxisnah in Gewächshäusern und auf Freilandflächen.

Die Wissenschaftler untersuchten Fasernesseln als Torfersatzstoff intensiv. Foto: Lars Kretschmer/JKI

Die Wissenschaftler untersuchten Fasernesseln als Torfersatzstoff intensiv. Foto: Lars Kretschmer/JKI

Sie kommen ursprünglich aus dem Bereich Pflanzenschutz. Wo liegen die Verbindungen zum Substrat?

Dr. Ute Vogler: Substrat ist die Basis für Pflanzen, deren Wachstum und für weitere Organismen. Zum einen wurden im ToPGa Teilprojekt „Schädliche und nützliche Organismen“ bei mir am JKI Institut bodenbürtige Krankheiten und Schädlingen in Torfersatzstoffen im Vergleich zu Torf untersucht. Zum anderen reagieren Pflanzen bei Schädlings- und Krankheitsbefall oft mit Symptomen, die mit Symptomen bei Problemen in der Pflanzenernährung zu verwechseln sind. Wie eng Torfersatz und Pflanzenschutzthemen wirklich zusammenhängen und sich gegenseitig beeinflussen, hat ToPGa beleuchtet und damit weiteren Forschungsbedarf aufgezeigt. 

Was ist Ihre Quintessenz für die Produzenten?

Dr. Ute Vogler: Da wir ein Forschungs- und Entwicklungsvorhaben sind, sind die Ergebnisse nicht direkt für die Praxis nutzbar. Es ist klar geworden, dass Torfersatz möglich ist, wenn man weiß, was zu tun ist. So wie beispielsweise die Fasernessel derzeit vorliegt, ist sie nicht als Torfersatzstoff geeignet. Sie benötigt weitere Aufbereitungsschritte. Bei Gärresten gibt es bereits verschiedene Möglichkeiten der Aufbereitung, hier sprechen wir dann von Gärprodukten. In anderen Forschungsprojekten arbeiten Wissenschaftler an der Optimierung von Gärresten und Gärprodukten. Auch wir möchten uns im folgenden Projekt „Torfreduktion mit sicheren Substraten für den professionellen Gartenbau – ToSuGa“, gefördert durch das BMEL aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages durch die FNR, weiter mit Gärresten und Gärprodukten beschäftigen.

Es gibt inzwischen bereits einige Betriebe, die weitestgehend torffrei produzieren. Ein solcher Baumschulbesitzer fragte mich: „Was forschen die eigentlich noch, es geht doch schon?“ Was antworten Sie?

Dr. Ute Vogler: Es ist gut, wenn der Betrieb einen Weg für sich gefunden hat, den Torf zu ersetzen. Da steckt viel Wissen drin, das andere Betriebe noch nicht haben. Für alle Betriebe ist es wichtig, dass die Forschung Wissen zur Torfminderung zur Verfügung stellt. Bei Torfersatzstoffen geht es neben der gartenbaulichen Eignung auch immer um die Frage, ob genügend Ausgangsstoffe in ausreichender Qualität und Quantität kontinuierlich zur Verfügung stehen. Die Wissenschaft forscht weiter, damit Ersatzstoffe auch regional zur Verfügung stehen. Im Projekt gab es bei den Torfersatzstoffen teilweise Unterschiede von Charge zu Charge. Damit können Betriebe nicht sicher arbeiten. Hier besteht weiterer Forschungsbedarf zur Aufbereitung der Stoffe, sodass dem Gartenbau sichere Torfersatzstoffe zur Verfügung stehen. Und das beste Substrat bringt nichts, wenn es zu teuer ist. Auch das berücksichtigen wir. 

Auch das Fernsehen war schon da: Ute Vogler stellte torfreduzierte Substrate in den Gewächshäusern des JKI vor. Foto: JKI

Auch das Fernsehen war schon da: Ute Vogler stellte torfreduzierte Substrate in den Gewächshäusern des JKI vor. Foto: JKI

Es gibt Kritiker am Ziel Torffreiheit, die bei ihren bewährten Substraten bleiben wollen, weil sie den Mehraufwand und die Mehrkosten fürchten und das CO2-Einsparpotenzial bei einem Verzicht auf Torf anzweifeln. Können Sie dieser Gruppe etwas Motivierendes mit auf den Weg geben?

Dr. Ute Vogler: Die Torfabbaugebiete in Deutschland haben limitierte und regulierte Abbaumöglichkeiten. Die Anzahl der Gebiete, in denen Torf in Deutschland noch abgebaut wird, sinkt und Torf aus anderen Herkünften hat nicht dieselbe Qualität. Torf bildet sich in funktionierenden Moor-Ökosystemen zwar neu, aber das dauert sehr, sehr, sehr lange. Weil die Ressource Torf sozusagen endlich ist, ist es wichtig, möglichst erneuerbare Alternativen zu finden und zu nutzen. Auch wäre eine weitere Trockenlegung funktionierender Moorökosysteme nicht zu verantworten. Mit unserer Forschung tragen wir dazu bei, Potenziale und Möglichkeiten aufzuzeigen und unterstützen damit die Umsetzung der Torfminderung und den Torfersatz in die Praxis.

Würden Sie mit dem Wissen, das Sie jetzt haben, als Profigärtner Gärreste aus Biogasanlagen oder Fasernessel – Ihre beiden Hauptersatzstoffe in der Forschung – in das Substrat einmischen?

Dr. Ute Vogler: Die Fasernessel braucht noch Weiterentwicklung, damit sie zu einer verlässlichen Komponente wird. Die Gärreste in Form von Gärprodukten sind schon ein Stück weiter als die Fasernessel und es ist wichtig, daran weiter zu forschen. Auf jeden Fall würde ich als Gärtner Veranstaltungen besuchen, mir zusätzliches Wissen zu dem Thema aneignen und unbedingt das Projekt FiniTo verfolgen, wenn ich Gärreste oder andere Torfersatzstoffe im Betrieb einsetze. Es kommt auch immer auf die Kultur an, wie empfindlich die Pflanzen reagieren und ob man diese Reaktion interpretieren und gegensteuern kann. Der Gärtner sollte regelmäßig das Substrat analysieren, welche Nährstoffe vorhanden sind und wie die Düngung anzupassen ist. Zudem muss in der Regel die Wasserversorgung angepasst werden.

Zahlreiche Pilzkulturen konnten die Wissenschaftler aus den Torfersatzstoffen extrahieren. Foto: Johannes Kaufmann/JKI

Zahlreiche Pilzkulturen konnten die Wissenschaftler aus den Torfersatzstoffen extrahieren. Foto: Johannes Kaufmann/JKI

Torffreie Erdpresstöpfe sind noch in weiter Ferne, lautete das Fazit einer Wissenschaftlerin Ihres Projekts. Um voranzukommen – würde Ihre Empfehlung derzeit lauten, erst einmal das Volumen der Erdpresstöpfe zu verkleinern?

Dr. Ute Vogler: Grundsätzlich funktioniert die Anzucht und Pflanzung von Jungpflanzen auch mit kleineren Erdpresstöpfen, wenn einige Faktoren mitberücksichtigt werden. Die Pflanzmaschine muss beispielsweise mit dem kleineren Erdpresstopf zurechtkommen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass, falls der Gärtner den Pflanztermin verschieben muss, er die Pflege der Pflanzen an das kleinere Topfvolumen anpasst. Wird das Erdpresstopfvolumen verkleinert, wird Platz in den Kisten frei. Entweder entsteht Leerraum oder es sind mehr Pflanzen pro Kiste. Das kann wiederum Einfluss auf die Pflanzen haben. Wenn man das alles mitdenkt und anpasst, kann das Volumen von Erdpresstöpfen zumindest in den untersuchten Kulturen reduziert werden, um so Torf einzusparen. 

Können Sie Profigärtnern, die ihren CO2-Fußabdruck reduzieren wollen, mit Blick auf Ihre Forschungsergebnisse Tipps mitgeben, wo sie ansetzen ­können? 

Dr. Ute Vogler: Über die Torfreduktion im Substrat kann der Gärtner den Anteil an CO2-Emissionen senken. Zusätzlich spielen weitere Faktoren eine Rolle, etwa Belichtung, Heizung, Verpackung und Transport. Über Horticert steht inzwischen eine Zertifizierung der Substratausgangsstoffe zur Verfügung. Wir haben für verschiedene Modelle das CO2-Einsparpotenzial beim Einsatz von torfreduzierten Substraten berechnet. Manche Betriebe finden sich in dem Modell wieder, andere weniger. Wir wollen in ToSuGa hieran weiterarbeiten.

Welche Fragen könnten in Ihrem Folgeprojekt für Gartenbauproduzenten noch spannend sein?

Dr. Ute Vogler: Das Bodenleben rückt stärker in den Fokus, sowohl was Schadorganismen als auch was natürliche Gegenspieler betrifft. Es geht um Bakterien, Pilze und Oomyzeten, Insekten und um pflanzenwachstumsfördernde Mikroorganismen. Dabei untersuchen und charakterisieren wir weitere Torfersatzstoffe und bauen dabei auf die Resultate aus ToPGa auf. Alternativen zu den Erdpresstöpfen wollen wir uns näher anschauen. Und die App, mit der beispielsweise Gärtner, Berater, Substrathersteller Substratmischungen berechnen können, wollen wir weiterentwickeln. So sollen die Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt ToSuGa über die App direkt anwendbar werden.

Haben Sie Sorge, dass sich nach einer Neuwahl die politischen Prioritäten verschieben und die Forschung an Torfersatzstoffen dann weniger oder nicht mehr gefördert wird?

Dr. Ute Vogler: Das Thema Torfersatz im Gartenbau ist nicht neu und das Bundeslandwirtschaftsministerium hat bisher unabhängig von der politischen Leitung das Thema unterstützt. Für den Gartenbau ist es wichtig, dass Torfersatzstoffe in ausreichender Menge und guter Qualität verfügbar sind. Deswegen hoffe ich, dass eine neue Bundesregierung die Relevanz des Gartenbaus in Deutschland und die Bedeutung von Torfersatzstoffen für den Gartenbau und den Klimaschutz erkennt sowie, dass die Forschungsförderung und die Umsetzung in die Praxis weiterhin unterstützt und fortgeführt werden.

In Ihrer Abschlussdiskussion wurden viele Stimmen laut, die das Ziel torffreie Hobbyerden 2026 und möglichst torffreie Profierden 2030 für nicht mehr erreichbar halten. Wie sehen Sie das?

Dr. Ute Vogler: Ob die Ziele erreicht werden können, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Dazu gehört, dass Quantität und Qualität und Kosten der Torfersatzstoffe stimmen. Für die Gärtner muss eine kostendeckende Produktion möglich sein. Auch die Kommunikation an den Endverbraucher muss passen, wie sie derzeit beispielsweise in dem Projekt HOT (Hobby-Gartenbau mit torfreduzierten und torffreien Substraten auf Basis nachwachsender Rohstoffe) entwickelt wird. Wenn diese und andere Faktoren gut zusammenspielen, könnte es klappen. 

Torfausstieg bleibt gesetzt

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hält an den Ausstiegsdaten, die Verwendung von Torf im Erwerbsgartenbau bis zum Jahr 2030 weitgehend zu reduzieren und im Hobbybereich den Einsatz von Torf im Jahr 2026 zu beenden, fest. Das teilt eine Sprecherin auf TASPO-Anfrage mit. Das Wort „weitgehend“ bedeutet laut ihren Aussagen, dass „die Möglichkeit für empfindliche Kulturen gegeben ist, auch torfhaltige Substrate zu verwenden“. Das BMEL plant laut der Sprecherin, Forschung- und Entwicklungsprojekte sowie Modell- und Demonstrationsvorhaben zum Torfersatz weiter zu fördern. Wie das unter einer neuen Bundesregierung aussieht, ist natürlich offen. Sie verweist auch auf das Projekt FiniTo, in dessen Rahmen regionale Fachstellen entstanden sind, die die Gartenbaubetriebe während der gesamten Umstellungsphase individuell begleiten. Auf die in der Branche oft gestellte Frage, wer denn den weitgehenden Torfverzicht am Ende bezahlen soll, meint die Sprecherin, dass Praxisbeispiele zeigen, dass eine Reduzierung des Torfanteils von 50 Prozent in Kultursubstraten durchaus möglich ist. Aus Sicht des Ministeriums bedarf es aber „einer europäischen Initiative, den Torfanteil in Substraten und damit den Torfabbau zu begrenzen“. Deutschland will sich laut Angaben des BMEL für eine EU-weit einheitliche Vorgehensweise einsetzen.