Heimische Torfersatzstoffe mit viel Potenzial?

Fotos: Kraska

Fotos: Kraska

Wir brauchen eine komplett andere Richtung, wenn wir über 
Torfersatzstoffe nachdenken, einen Perspektivenwechsel“, sagt 
Dr. Thorsten Kraska von der Uni Bonn. „Torfersatz ist für mich dabei nicht das primäre Ziel – sondern die Forschung und Entwicklung von innovativen Substratkonzepten ohne Vorgaben. Daraus ergibt sich ein reduzierter Bedarf an und Unabhängigkeit von Torf in der gartenbaulichen Praxis.“ Alternativen sind unter anderem Miscanthus, Torfmoos und – neu – Fasernessel.

Von Katrin Klawitter

Foto: Tobias Dahms

Foto: Tobias Dahms

Torf ist so gut, dass man hochwertigste Alternativen finden muss.
Prof. Dr. Hans Joosten, Universität Greifswald

Alternative 1: Miscanthus

Das Chinaschilf Miscanthus kann unter heimischen Bedingungen angebaut und damit regional zur Verfügung gestellt werden. Am Campus Klein-Altendorf der Universität Bonn wird es seit mehreren Jahren unter Praxisbedingungen als Rohstoff für Pflanzsubstrate untersucht. Ziel ist dessen Erforschung und Praxiserprobung als ökologisch und ökonomisch nachhaltige Alternative zum Torf und anderen Pflanzsubstraten. Miscanthus ist bereits erfolgreich als Zuschlagstoff für Torfsubstrate erprobt, beispielsweise auch in der Poinsettienkultur. Bei Tomaten und Gurken kann fein gehäckselter oder zerfaserter Miscanthus sogar Steinwolle in erdeloser Kultur vollständig ersetzen, sagt Kraska. Wobei sich marktfähige Erträge und Fruchtqualität nicht von der Kultur auf Steinwolle unterschieden – ohne Anpassungen in der Kulturführung. Ähnlich erfolgreich waren auch Versuche mit Erdbeeren im geschützten Anbau als Alternative zur Kokosfaser. Miscanthus wird nach der Ernte im Frühjahr mit einem Feldhäcksler geerntet und weiter zerkleinert, die Aufbereitung (Partikelgröße und -struktur) hat einen großen Einfluss auf die Qualität als Substrat. Das Substrat hat eine enorme Pufferkapazität, erfordert aber eine Anpassung der Kulturführung. Es sollte geschützt und damit trocken gelagert werden. Miscanthus bietet auch den Vorteil einer möglichen Kaskadenutzung – beispielsweise erst als Pflanzsubstrat, dann als Brenn-, Dämmaterial oder Tiereinstreu. Als ein Primärrohstoff kann es regional und nachhaltig in Deutschland angebaut werden. Die zur Verfügung stehenden Rohstoffmengen sind laut Kraska kalkulierbar, die Ausgangsqualität unterliegt keinen allzu großen Schwankungen und kann durch gezielte Anbaumaßnahmen gesteuert werden.

Alternative 2: Torfmoos

Für Torfmoos als Torfersatz setzt sich Prof. Dr. Hans Joosten von der Universität Greifswald ein. Torfmoos-Biomasse ist ein hervorragender Torfersatz, wie zahlreiche pflanzenbauliche Versuche mit einer Vielzahl von Kulturgewächsen gezeigt haben. Torfmoos als Substrat zeichnet sich durch einen hohen Porengehalt, wenige Nährstoffe und einen niedrigen pH-Wert aus. Joosten hat die sogenannte „Paludikultur“ von heimischen Torfersatzstoffen auf wiedervernässten Moorböden als praxisreifes Verfahren entwickelt und benannt: Angebaut wird auf Abtorfungsflächen, Schwimmmatten und Hochmoorgrünland, Wasser ist dabei der entscheidende Faktor. Kultiviert werden auf diese Weise derzeit neben Torfmoos auch Rohrkolben, die als Rohstoff für den Torfersatz getestet werden. Die Torfmoos-Paludikultur hat viele Vorteile wie ein Reduzieren der Treibhausgas-Emissionen,Verdunstungskühlung sowie Nährstofffilterung. Und sie bietet Lebensraum für seltene, hochmoorspezifische Arten. Ökonomisch betrachtet, ist sie laut Joosten lukrativ für Spezialkulturen – und als Torfersatz für Standardkulturen würde sie sich mit einem zehn Prozent höheren Endpreis der Produkte auch schon lohnen. Praxisversuche zum Torfmoosanbau laufen in Deutschland seit dem Jahr 2004. Seitdem sind die verfahrenstechnischen Anforderungen weitestgehend geklärt. Mittlerweile ist auch eine schnelle Massenproduktion von hochwertigem Torfmoos-Saatgut möglich, was bisher einen zentralen Engpass darstellte. Laut Joosten wären 35.000 Hektar dauerhafte Torfmooskultur nötig, um jährlich drei Millionen Kubikmeter Weißtorf zu ersetzen. Es müssen sich aber erst die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen ändern, damit der Torfmoosanbau auf entwässerten, landwirtschaftlich genutzten Moorflächen förderrechtlich nicht gegenüber gängiger Landwirschaft benachteiligt wird. Torfmoosanbau ist möglich auf wiedervernässtem Hochmoorgrünland. Abgetorfte Flächen stehen dann zur Verfügung, wenn die Torfabbaugenehmigung eine derartige Folgenutzung zulässt. Forschung, Industrie und politische Partner sollten ihre Kräfte bündeln, um den Torfmoosanbau zu erweitern, sagt Joosten.

Alternative 3: Fasernessel

Geplante Versuche des Julius Kühn-Instituts sollen das Potenzial der Fasernessel als Rohstofflieferant für Gartenbausubstrate untersuchen. Von der Fasernessel kommen das Nesselstroh, die Schäben sowie die Fasern als Torfersatz in Frage. Vom Nesselstroh wird angenommen, dass es nach Trocknung, in Anlehnung an andere, bisher verwendete nachwachsende Rohstoffe wie Miscanthus in verschiedenen Aufbereitungen als Substratrohstoff eingesetzt werden kann. Bei Schäben soll überprüft werden, ob diese, genauso wie die Schäben von Hanf und Flachs, als Torfersatz verwendbar sind. Die Schäben der Fasernessel sollen weniger scharfkantig als die von Hanf und Flachs sein. Die Eignung der Rohfasern als Substratrohstoff wird ebenfalls geprüft, ebenso, wie die potenzielle Kohlenstoffspeicherung durch den Anbau. Denn die Kulturdauer der Fasernessel kann bis zu zehn Jahre betragen, das heißt, als Dauerkultur hat sie ein beträchtliches Potenzial, Kohlenstoff in unterirdischen Pflanzenteilen mittelfristig auf landwirtschaftlichen Flächen zu speichern.

Fotos: Paul (FNR), Beckhaus (NFC), Kraska, Klawitter, Joosten

Fotos: Paul (FNR), Beckhaus (NFC), Kraska, Klawitter, Joosten

Rinde im Gartenbau wird knapp

Derzeit verzeichnen über 90 Prozent der Substratunternehmen einen Engpass bei Rinde zur Herstellung von Rindenmulch und -humus, so eine aktuelle Abfrage des Industrieverbandes Garten (IVG). Grund ist die derzeit hohe Nachfrage nach Mulchprodukten aus Rinde, Blumenerde und Kultursubstraten, zum anderen die anhaltende Trockenheit der vergangenen Jahre und das damit verbundene hohe Borkenkäferaufkommen. Zudem ist die Menge von Rinde in den Sägewerken, bedingt durch Corona-Produktionsausfälle, geringer. Vor diesem Hintergrund rechnen mehr als 75 Prozent der IVG-Mitglieder auch in den nächsten Jahren mit einem Rückgang der verfügbaren Rindenmengen auf 50 Prozent für den deutschen Markt – mit entsprechendem Preisanstieg. Gleiches gilt für Kokos: Dieser Rohstoff wird aufgrund der Corona-Pandemie ebenfalls rar, da in Indien und Sri Lanka derzeit nur noch stark eingeschränkt Material verarbeitet und verladen wird.