Gärreste – ein Material mit vielen Möglichkeiten?

Gärreste können sowohl starke Pflanzenschäden verursachen als auch unsere Kulturpflanzen mit preiswerten Nährstoffen versorgen – oder Torf in erheblichem Umfang ersetzen. Was denkbar und was bereits jetzt machbar ist.
Von Christina Eilers, Heinrich Beltz, Dr. Gerlinde Michaelis, LVG; Patrick Schnoor, Dr. Andreas Wrede, GBZ
Separierter Gärrest aus reststoffbasiert betriebener Biogasanlage (Bild links), gewaschenes und aufbereitetes Gärprodukt (Bild rechts). Fotos: Christina Eiler
Separierter Gärrest aus reststoffbasiert betriebener Biogasanlage (Bild links), gewaschenes und aufbereitetes Gärprodukt (Bild rechts). Fotos: Christina Eiler
Gärprodukte als Bestandteil für Baumschulsubstrate untersucht
Durch die Forderung der Politik zur Torfreduktion sind sowohl Substrathersteller als auch Pflanzenproduzenten aller Fachrichtungen seit Jahren intensiv auf der Suche nach günstigen, in ausreichender Menge zur Verfügung stehenden und kultursicheren Substratausgangsstoffen. Als ein Arbeitspaket des Verbundprojekts ToPGa (Entwicklung und Bewertung torfreduzierter Produktionssysteme für den Gartenbau) wurden Gärreste beziehungsweise Gärprodukte aus der Biogasgewinnung als Bestandteil für Baumschulsubstrate untersucht. Durch die Verwendung von Gärresten sollen regionale Stoffkreisläufe gestärkt und alternative Nutzungsmöglichkeiten entwickelt werden.
82 Millionen Tonnen Gärreste
Als Gärreste (auch Gärprodukte) werden die teilweise separierten, festen Bestandteile bezeichnet, die nach erfolgter Biogasgewinnung die Anlagen verlassen. Dabei unterscheidet man im Wesentlichen zwischen NAWARO- (zur Vergärung größtenteils nachwachsender Rohstoffe) und reststoffbasierten Biogasanlagen (zur Vergärung von Mist, Wirtschaftsdünger und Futterresten). Zurzeit beschäftigen sich viele Anbieter mit der Aufbereitung von Gärresten, um diese besser nutzbar zu machen. Nachfolgend werden diese aufbereiteten Produkte als Gärprodukte bezeichnet, obwohl in der offiziellen Terminologie keine Differenzierung beider Begriffe vorgenommen wird.
Bundesweit beläuft sich der Bestand an Biogasanlagen derzeit auf etwa 8.700 Anlagen mit einem jährlichen Aufkommen von 82 Millionen Tonnen Gärresten (FNR 2018). Besonders in den Veredelungsregionen mit intensiver Viehhaltung übersteigt das anfallende Volumen an Gärresten die Verwendungsmöglichkeiten als Düngemittel im Freiland bei weitem. Durch die aktuelle Förderung werden neben NAWARO- vermehrt auch reststoffbasierte Anlagen betrieben.
Die nach der Biogasgewinnung anfallenden separierten Gärreste enthalten, je nach Anlagentyp und den eingesetzten Gärsubstraten, hohe Gehalte an Nährstoffen (insbesondere Phosphor und Kalium), die für den Einsatz in Kultursubstraten denkbar erscheinen. Besonders interessant ist die Verwendung von Gärresten in Kombination mit Einnährstoffdüngern (N) anstelle von ummantelten Depotdüngern, um die Substratkosten zu senken.
14 verschiedene Gärreste im Test
Als ToPGa-Teilprojekt wurden in drei aufeinanderfolgenden Versuchsjahren insgesamt neun Gärreste aus unterschiedlichen Biogasanlagen sowie fünf aufbereitete Gärprodukte an der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau (LVG) in Bad Zwischenahn und im Gartenbauzentrum (GBZ) in Ellerhoop untersucht. Der Fokus lag einerseits auf ihrer Verträglichkeit für verschiedene immergrüne und laubabwerfende Gehölze und andererseits auf der Düngewirkung. Eingehende Analysen von Projektpartnern am Julius Kühn-Institut (JKI) zeigten, dass bei den fünf dort bearbeiteten Gärresten keine Vorbelastungen mit humanpathogenen Keimen vorlagen.
Die gartenbaulich relevanten Eigenschaften pH-Wert, Salzgehalt und Gehalt an Hauptnährstoffen (N, P, K) wurden bei allen Gärresten und Gärprodukten untersucht. Die Salzgehalte und pH-Werte der frisch separierten, der separierten und danach gelagerten sowie der maschinell- und luftgetrockneten Gärreste waren teilweise sehr hoch. Zudem traten erhebliche Schwankungen auf, sowohl zwischen den verschiedenen Biogasanlagen als auch zwischen mehreren Chargen derselben Anlage. Die Gehalte an Schwermetallen lagen bei allen untersuchten Gärresten und Gärprodukten unterhalb der Grenzwerte der Düngemittelverordnung (DüMV).
Schwankungen des pH-Werts und des Salzgehalts am Beispiel einiger Gärreste und Gärprodukte |
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Bezeichnung |
pH-Wert (LUFA) |
Salzgehalt (LUFA) |
maschinell getrockneter Gärrest |
9,2 – 9,4 |
15,7 – 22,7 |
NAWARO-Gärrest |
7,4 – 8,8 |
2,1 – 3,8 |
Gärrest aus Reststoff-basiert betriebener Anlage |
8,3 – 8,8 |
3,7 – 5,3 |
kompostierte Gärprodukt-Laub-Mischung |
7,0 – 8,5 |
1,4 – 2,6 |
gewaschenes, aufbereitetes Gärprodukt |
5,8; nach Verfahrens-änderung 3,3 – 4,1 |
0,5 – 0,6 |
Oft nur geringe Anteile möglich
Bei maschinell getrockneten Gärresten lagen die Salzgehalte, aber auch die pH-Werte in Bereichen, die eine gartenbauliche Eignung auf die Verwendung als Dünger (zwei bis drei Vol.-Prozent) einschränkten. Höhere Aufwandmengen führten zu massiven Schädigungen der Kulturpflanzen. Frische sowie gelagerte separierte Gärreste zeigten in einigen Bereichen eine bessere Pflanzenverträglichkeit. Dabei traten starke Unterschiede zwischen den Kulturjahren 2022 (heiß und trocken) und 2023 (kühl und niederschlagsreich), aber auch zwischen den unterschiedlichen Kulturpflanzen auf.
Während bei etlichen der verwendeten Versuchspflanzen die Wachstumsergebnisse sehr unterschiedlich waren und die Kultursicherheit eingeschränkt, zeigten sowohl Prunus laurocerasus als auch Weigela konstant gutes Wachstum in Torfsubstraten mit einem zehn bis 25 prozentigen Gärrestanteil. Eine weitere Torfreduktion mit 25 Volumenprozent Holzfaser hatte im niederschlagsreichen Jahr 2023 keinen negativen Einfluss auf das Pflanzenwachstum von Chamaecyparis lawsoniana ‘Columnaris’ und die Verträglichkeit der Gärreste.
Bei allen Einsatzmöglichkeiten von Gärresten in Kultursubstraten muss allerdings berücksichtigt werden, dass die über die Gärreste eingebrachten löslichen Nährstoffe zum Teil der Auswaschung unterliegen. Dies macht ein Wasserrecycling erforderlich, wie es bereits vielfach in Baumschulen praktiziert wird.
Gute Wachstumsergebnisse bei Chamaecyparis lawsoniana ‘Columnaris‘ im niederschlagsreichen Versuchsjahr 2023. Foto: Christina Eilers
Gute Wachstumsergebnisse bei Chamaecyparis lawsoniana ‘Columnaris‘ im niederschlagsreichen Versuchsjahr 2023. Foto: Christina Eilers
Potenzial zur Einsparung von Dünger
Die Verwendung von organischen und mineralischen Stickstoffdüngern in Kombination mit ausgewählten, an den Nährstoffbedarf der Pflanzen angepassten Aufwandmengen einzelner Gärreste und Gärprodukte als P- und K-Quelle führte zu vergleichbaren Kulturerfolgen mit guten Pflanzenqualitäten wie mit dem Depotdünger Osmocote Pro 8-9 M (4,0 g/l) in Torfsubstrat. Allerdings wiesen die Pflanzen und die Substrate mit Gärrest und organischer Düngung bei langer Kulturdauer und/oder starken Niederschlägen im Herbst niedrige Nährstoffgehalte der Hauptnährstoffe N, P und K auf, ohne jedoch Mangelsymptome zu zeigen.
Eine besonders gute Nährstoffversorgung konnte mit 14 g/l Schafwollpellets und mit 8 g/l groben Hornspänen 7-12 mm erzielt werden. Allerdings führten nur die Hornspäne bei einem Preis von 1,35 Euro/Kilogramm (= 10,80 Euro bei 8,0 Kilogramm/Kubikmeter) zur Reduktion der Substratkosten gegenüber Depotdünger bei einem Preis von 3,50 Euro/Kilogramm bei einem Bedarf von 4 g/l Substrat.
Gute Kulturerfolge in Torfsubstrat mit Depotdünger und in Substraten mit Gärprodukt und organischen Düngern. Fotos: Christina Eilers
Gute Kulturerfolge in Torfsubstrat mit Depotdünger und in Substraten mit Gärprodukt und organischen Düngern. Fotos: Christina Eilers
Aufbereitete Gärprodukte verträglicher
Die Aufbereitung von Gärresten zu Gärprodukten, zu der intensiv geforscht wird und neue Verfahren entwickelt werden, verfolgt vielfältige Ansätze. So werden Mischungen aus flüssigen Gärresten und Laub kommunaler Herkunft kompostiert (kompostierte Gärrest-Laub-Mischung) oder auch separierte Gärreste mit technischen Anlagen gewaschen und aufbereitet (NuTriSep-Verfahren). Das NuTriSep-Verfahren dient der Vollaufbereitung und Nährstoffrückgewinnung von Gärresten. Die durch ein Umwelttechnologie-Unternehmen entwickelte Anlage bereitet Gärreste durch eine Folge von Filtrations-, Lösungs- und Fällungsschritten zu den marktfähigen einzelnen Komponenten Stickstoff, Phosphor, Kalium und organische Substanz (Substratausgangsstoff) auf. Das benötigte Prozesswasser kann nach Herstellerangaben wiederverwendet werden.
Alle Aufbereitungsmöglichkeiten verfolgen das Ziel, die Schwankungen zwischen unterschiedlichen Chargen von Gärresten auszugleichen, die Eigenschaften insgesamt zu homogenisieren und in pflanzenverträgliche Bereiche zu bringen, um Torf in größerem Umfang zu substituieren.
Einige dieser innovativen Gärprodukte konnten in Versuchen in steigenden Anteilen bis 100 Volumenprozent eingesetzt werden. Sowohl mit Torf als auch mit Holzfaser als Mischungspartner wurden gute Kulturerfolge erzielt. Auftretender N-Immobilisierung konnte durch eine Ausgleichsdüngung entgegengewirkt werden. Darüber hinaus zeigten sich keine weiteren Unverträglichkeitsreaktionen der Kulturpflanzen.
Allerdings war bei den stark torfreduzierten, torffreien und reinen Gärprodukt-Substraten die geringe Wasserkapazität der untersuchten Substratmischungen ein limitierender Faktor für das Pflanzenwachstum. Bei Substraten mit höheren Anteilen der kompostierten Gärrest-Laub-Mischung zeigte sich im Kulturverlauf zwar ein positiver Einfluss dieses Gärprodukts auf das Wasserhaltevermögen, die Substrate erreichten aber am Kulturende lediglich die Startwerte des Torfsubstrats.
Torfkontrolle (ganz links) und steigende Anteile des mit dem NuTriSep-Verfahren aufbereiteten Gärprodukts mit Holzfaser (von links nach rechts). Foto: Christina Eilers
Torfkontrolle (ganz links) und steigende Anteile des mit dem NuTriSep-Verfahren aufbereiteten Gärprodukts mit Holzfaser (von links nach rechts). Foto: Christina Eilers
Das mit dem NuTriSep-Verfahren aufbereitete Gärprodukt verfügte durch die im Behandlungsprozess erfolgte Ansäuerung über einen für Gärreste und Gärprodukte niedrigen pH-Wert von 4,1. Deshalb wurde dieses Gärprodukt in steigenden Anteilen in Kombination mit Holzfaser zur Kultur von kalkempfindlichen Vaccinium corymbosum ‘Duke’ eingesetzt.
Im Versuch zeigte sich, dass der pH-Wert gegenüber der Torfkontrolle nicht stabil blieb, was anscheinend keinen negativen Einfluss auf das Pflanzenwachstum hatte. Allerdings gibt es bis jetzt wenig gesicherte Erkenntnisse über die Auswirkungen von unpassenden pH-Werten in torffreien oder stark torfreduzierten Substraten auf die Kulturpflanzen, weshalb an der Thematik weiter intensiv gearbeitet wird.
Veränderungen der pH-Werte im Kulturverlauf bei Vaccinium corymbosum ‘Duke’. Grafik: Christina Eilers
Veränderungen der pH-Werte im Kulturverlauf bei Vaccinium corymbosum ‘Duke’. Grafik: Christina Eilers
Gute Zukunftsaussichten
Was ist also beim Einsatz von Gärresten und Gärprodukten denkbar und was ist bereits jetzt machbar? Machbar ist der Einsatz unbehandelter Gärreste bei ausgewählten Kulturen, wenn geringe Anteile, die an den Nährstoffbedarf der Pflanzen angepasst sind, verwendet werden. Voraussetzung dafür sind eine enge Zusammenarbeit der Substrathersteller mit den Landwirten ihres Vertrauens und umfangreiche Analysen, um die pflanzenbaulichen Eigenschaften der Gärreste zu kennen. Wichtig ist auch, Vorbelastungen mit problematischen Stoffen im Vorfeld auszuschließen.
Denkbar ist definitiv die Verwendung von höheren Anteilen nachbehandelter Gärprodukte in Substraten. Voraussetzung hierfür ist, dass die verschiedenen Nachbehandlungsverfahren zur Marktreife gelangen und die Kulturverfahren in der Praxis an die Anforderungen (Wasserkapazität, pH-Wert) der neuen Substrate angepasst werden.