Drei Jahre HOT-Projekt:
Aufklärung geht voran

Wissenschaftler untersuchten, wie sich die torfreduzierten und -freien Hobbyerden in Balkonkästen unter Idealbedingungen verhalten. Foto: HSWTIGB

Wissenschaftler untersuchten, wie sich die torfreduzierten und -freien Hobbyerden in Balkonkästen unter Idealbedingungen verhalten. Foto: HSWTIGB

Im Segment der Hobbyerden ist viel in Bewegung. Der Torfanteil sinkt kontinuierlich, der Handel forciert das Thema aktuell. Beim Endverbraucher fehlt es aber noch an Wissen im Umgang mit den neuen Produkten – und teilweise auch an der Bereitschaft, dies auch umzusetzen.

Von unserer Redakteurin Yvonne Stock

So lautet – stark verkürzt – nach drei Jahren HOT-Projekt das Fazit von Holger Braun, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institute for International Research on Sustainable Management and Renewable Energy (ISR) an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU).

HOT steht für „Hobby-Gartenbau mit torfreduzierten und torffreien Substraten auf Basis nachwachsender Rohstoffe“. „Wir merken, dass das Problembewusstsein für Torf bei den Endverbrauchern gewachsen ist“, sagt Braun. 23 Prozent greifen inzwischen bewusst zu torffreien Produkten. „Das Segment wächst, die Nachfrage ist da.“ Das ist auch sein Hauptargument gegenüber Gartencentern, die auf eine gesetzliche Vorgabe zur Torfreduktion warten wollen. „Eine Vorreiterrolle hat Vorteile und lässt sich auch monetarisieren“, erläutert der Wissenschaftler und verweist auf eine Studie zur Zahlungsbereitschaft von Endverbrauchern, die sie als Teil des HOT-Projekts durchgeführt haben.

„Der Handel ist derzeit der wesentliche Treiber“, sagt Braun. „Die Sortimentsumstellung bei großen Akteuren bewegt viel.“ So entsteht ein gewisser Druck auf die Lieferanten, sich des Themas anzunehmen. Bei den Substratherstellern ist die Situation im Umstellungsprozess nach Einschätzung des Wissenschaftlers recht unterschiedlich. Es gibt Unternehmen, die beim Torfersatz bereits sehr weit sind und welche, die sich noch mitten in der Umstellung befinden.

Die Unternehmen stehen zum einen vor der Herausforderung, dass sie beispielsweise um Holzfasern, die in verschiedenen Branchen zum Einsatz kommen, zunehmend konkurrieren müssen. Zum anderen gewinnen Rohstoffe wie Kokosprodukte mehr an Bedeutung. Für viele Unternehmen bedeutet dies, dass sie sich erstmals mit globalen Lieferketten und Importen aus Übersee auseinandersetzen müssen. „Diese Transformationsphase muss aus unserer Sicht weiter begleitet werden“, sagt Braun.

Er verweist auf die jüngste Statustagung der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe, bei der die Bedeutung von Grundlagenforschung deutlich wurde. So profitieren die Substrathersteller davon, wenn die Wissenschaft Verfahren zur Aufbereitung von Torfersatzstoffen weiterentwickelt oder neue Torfersatzstoffe erforscht und diese Ergebnisse der Branche zur Verfügung stellt. „Die Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigen Ersatzstoffen in ausreichender Menge ist noch eine Hürde“, sagt Braun. Die Branche wünscht sich daher von der Politik unter anderem bessere Zugangsmöglichkeiten zu vielfältig eingesetzten Rohstoffen wie Holzprodukten, berichtete er.

Der Handel treibt – zu spüren ist das in diesem Jahr selbst in den Discountern und Supermärkten. Die dort vertriebenen Blumenerden ist inzwischen oftmals auch torfreduziert oder torffrei. „An der bundesweiten Aktionswoche ,Torffrei gärtnern‘ hat sich der Handel deutlich stärker beteiligt als im vergangenen Jahr“, berichtet Braun. Der Wechsel auf torfreduzierte oder torffreie Produkte funktioniert meist besser mit einer Beratung der Hobbygärtner, zeigen die Erfahrungen aus dem HOT-Projekt. Denn die Endverbraucher müssen ihr Gieß- und Düngeverhalten im Vergleich zu torfhaltigen Produkten anpassen, sonst könnte kurzfristig ihr gärtnerischer Erfolg in Gefahr geraten und langfristig die Freude am Gärtnern verloren gehen.

Doch Personal für die Beratung ist ein knappes Gut. „Ich schaffe als Betrieb über eine gute Beratung auch Kundenbindung“, betont Braun. Ein fertiges und universelles Konzept zum Verkauf der torffreien Hobbyerden für alle PoS haben die Wissenschaftler „leider auch nicht“. Das ist aber auch nicht machbar, da jeder Betrieb andere Rahmenbedingungen hat, meint Braun. Stattdessen bietet das HOT-Projekt dem Handel verschiedene Unterstützungsangebote. So stehen auf der Internetseite Flyer zum Herunterladen mit Informationen für Hobbygärtner zu den neuen Erden und deren Anwendung zur Verfügung. Diese werden genau wie die Schulungsplattform für Gartencentermitarbeiter „rege genutzt“, sagt Braun. Viele Gartencenter schulen über diese Plattform ihre neuen Mitarbeiter. 15.000 gedruckte Flyer sind bereits an Verbraucher verteilt. Zudem wurden im Projekt Informationsvideos produziert, welche die Aufklärung am POS unterstützen. Infotafeln können zusätzlich helfen, die Kunden zu informieren, sagt Braun.

Und „offene Erdenproben können ein Weg sein“. Damit kann der Handel wichtige Sinnesreize wie Fühlen und Riechen ansprechen und die Kunden auf einer anderen, emotionaleren Ebene erreichen und für das Thema sensibilisieren. Denn eine große Hürde ist, dass sich die Endverbraucher bei weitem nicht so sehr für das Thema Erde interessieren wie beispielsweise für Pflanzen. Der Wissenschaftler empfiehlt auch, den passenden Dünger direkt mit den Erden anzubieten. Hier hofft er darauf, dass die Hersteller Substrat und Dünger in Zukunft besser aufeinander abstimmen. Denn wegen des hohen Phosphor- und Kaligehalts des Kompostanteils in torfreduzierten Erden sollte die gängige Nährstoffzusammensetzung angepasst werden, meint Braun. Auch die übliche Angabe, die Düngemenge auf das Gießwasser zu berechnen, ist in nassen Zeiten ein Problem, da die Endverbraucher dann gar nicht gießen. Mittel gegen Trauermücken könnten direkt bei den Erden platziert werden. Und ganz wichtig aus Brauns Sicht: Die Erden müssen sowohl im Handel als auch beim Verbraucher richtig lagern, das heißt vor allem trocken und lichtgeschützt, sonst können sie mit der Zeit massiv an Qualität verlieren. Eine große Bevorratung an Substraten ist daher weder im Handel noch beim Endverbraucher sinnvoll, so der Wissenschaftler.

Ein Dilemma lässt sich derzeit aus Brauns Sicht noch nicht vollständig auflösen: Viele Gartencenter haben sowohl torfhaltige als auch torffreie Erden im Sortiment. Torfhaltige Erden sind in der Regel günstiger, besonders preisbewusste Kunden greifen deshalb in der Tendenz dort zu. Auch hier spielt wieder eine Rolle, dass Blumenerde nicht so einen hohen Stellenwert für Hobbygärtner hat. „Sie sind eher bereit für Pflanzen Geld auszugeben, aber nicht für die Erde“, sagt Braun. Hier ist aus seiner Sicht mehr Kommunikation notwendig. Ein Großteil der Verbraucher kauft ein- bis dreimal pro Jahr Blumenerden und kommt so insgesamt auf ein Volumen von 20 und 200 Liter Erde im Jahr, so der Wissenschaftler.

„Derzeit ist allerdings noch unklar, woher dieser große Preisunterschied zwischen torfhaltiger und -torfreier Erde kommt“, ergänzt er und verweist auf eine Studie von Olivier Hirschler vom Thünen-Institut, in der dies trotz aller Herausforderungen für die Produzenten nicht restlos aufgeklärt werden konnte. Der Preis von Erden ist allerdings kein alleiniges Merkmal für gute oder schlechte Qualität. Die Erfahrung aus den vergangenen Jahren zeigt aber, dass es kaum qualitativ hochwertige, torffreie Blumenerde im ganz niedrigen Preissegment gibt, so Braun.

Die Hauptziele des HOT-Projektes waren, neues Wissen im Bereich der torfreduzierten und -freien Hobbyerden zu generieren und dies in Informationen und Handlungsempfehlungen für die Akteure zu überführen, um die weitere Reduktion von Torf in Substraten zu fördern. Aber es ging auch darum, mögliche Anwendungsfehler bei Hobbygärtnern zu identifizieren und zum Beispiel mittels Schulungen und Informationsmaterial zu reduzieren. „Die Projektziele sind zum Großteil erreicht worden“, sagt Braun. Auch wenn das große, allerdings unverbindliche Ziel von der Bundesregierung, dass der Hobbygartenbau bereits im Jahr 2026 komplett torffrei ist, wohl verfehlt wird. Im Jahr 2024 enthielten die laut Industrieverband Garten (IVG) vier Millionen Kubikmeter produzierten Hobbyerden im Schnitt noch einen Torfanteil von 33 Prozent, 2023 waren es noch 41 Prozent. Der Wissenschaftler ist sich aber sicher, dass dieser Fortschritt im Zusammenspiel von Herstellern und Handel, staatlichen Institutionen und NGOs, sowie dem HOT-Projekt erreicht wurde.

„2022 war der Hobbygartenbau kaum wissenschaftlich untersucht“, erinnert sich Braun. „Die Wissensbasis ist inzwischen deutlich breiter.“ Die Wissenschaftler haben bereits ein Folgeprojekt für HOT beantragt, dass aber aufgrund des abrupten Regierungswechsels noch keine Genehmigung erhielt. Sie hoffen mit der neuen Bundesregierung auf eine neue Chance für die Projektförderung. Braun zeigt sich zuversichtlich, dass auch die neue Regierung Torfreduktion als Chance sieht, aktiven Moor- und Klimaschutz zu betreiben.

In dem Folgeprojekt wollen die Wissenschaftler in Praxisversuchen die Auswirkung der verschiedenen Kommunikationsmöglichkeiten zu torffreien Erden am POS auf die Absatzzahlen testen, berichtet Braun. Auch die pflanzenbaulichen Versuche sollen weitergehen. So soll weiter untersucht werden, wie sich die torffreien Hobbyerden im Praxistest sowohl bei den Wissenschaftlern als auch bei Hobbygärtnern verhalten. Die Forscher wollen auch herausfinden, welche Informationskanäle die Hobbygärtner zu ihrer Erde nutzen und wie sie diese Informationen umsetzen. Denn derzeit „ist es eine black box, was in der Anwendung passiert“, sagt Braun. Eine weitere Säule des Folgeprojekts soll die Bildung zukünftiger Hobbygärtner sein. Hierzu sollen pädagogische Konzepte für den Schulunterricht entwickelt werden, um das Thema Gärtnern der zukünftigen Generation wieder verstärkt näher zu bringen. Ziel ist es, „die neue Generation Hobbygärtner direkt an torffreie Erde heranzuführen“, sagt Braun.

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Auch Hobbygärtner waren Teil des Projekts. Foto: Schneider

Auch Hobbygärtner waren Teil des Projekts. Foto: Schneider

Fazit

Das erste HOT-Projekt hat nicht nur gezeigt, dass Blumenerden insgesamt keinen hohen Stellenwert bei den Endverbrauchern haben, dass Hobbygärtner zu wenig gießen und düngen, sondern auch, dass sie, wenn etwas nicht klappt, die Ursachen eher im Wetter, in Schädlingen oder in ihrer mangelnden Kompetenz sehen, aber nicht in den Blumenerden. Welche hohen Ansprüche etwa ein Blumenkübel auf dem Südbalkon auch an das Substrat stellt, wissen die meisten nicht. Auch nicht, dass ihre Erde relevante Auswirkungen auf ihre Pflanzen hat, sagt Braun. Beim Düngen sind zum Beispiel die Angaben auf der Verpackung eine Herausforderung: „Eine Nährstofftabelle sagt einem Hobbygärtner meist nicht viel“, ist Braun klar. Daher geht es vor allem darum, die Hobbygärtner niederschwellig zu informieren, wie sie es besser machen können, zum Beispiel über bestimmte Medien, wie Gartenzeitschriften oder Rundfunkbeiträge und soziale Netzwerke. Obwohl ein ordentliches Stück Weg zum Ziel torffreie Hobbyerden geschafft wurde, „ist noch viel zu tun“, meint der Wissenschaftler. Und er betont, dass dieses noch zu bewältigende Stück nicht an einer Partei hängt, sondern dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen müssen. „Nur das Kundenwissen zu erhöhen, wird nicht reichen, um das Ziel der torffreien Hobbyerden 2026 zu erreichen“, ist Braun überzeugt.